Wenn sie Wodka tranken, verprügelten Sie mich und nannten mich einen Nazi

Wenn sie Wodka tranken, verprügelten Sie mich und nannten mich einen Nazi

Mein Name ist Valeriy, ich bin 44 Jahre alt und komme aus der Stadt Severodonetsk in der Region Luhansk, Ukraine.  Mein Haus steht in einem Dorf 20 km von meiner Stadt entfernt.  Seit Frühjahr 2022 steht das Dorf unter der Besatzung der russischen Föderalisierung.

Am 28. Februar 2022 sind Russische Truppen in mein Dorf eingedrungen.  Sie ließen sich in jedem Haus nieder, das ihnen gefiel. Wenn die Eigentümer des Hauses dagegen waren, drohten sie mit Maschinengewehren und körperlichen Repressalien und nahmen das Haus dann ein. Mein Haus war keine Ausnahme

Aufgrund meiner Einwände sperrten sie mich in meinen eigenen Keller und breiteten sich in meinem Haus aus. Sie begannen in meinem Haus eine Art Verwaltung aufzubauen. Sie brachten militärische Ausrüstung: Haubitzen, Panzer, gepanzerte Personaltransporter.

Die russischen Soldaten waren schlecht gekleidet und hatten nichts zu essen. Also lebten sie in meinem Haus, aßen mein Essen von meinem Geschirr, schürten mit meinem Brennholz den Ofen und schliefen in meinem Bett. Mir wurde einmal am Tag zu essen gegeben.  Wenn sie Wodka tranken, und sie tranken oft, zogen sie mich zu ihrer Unterhaltung aus dem Keller, verprügelten mich, nannten mich einen Nazi und stießen mich wieder in den Keller.

Die beängstigende Tatsache war, dass sie, während sie in MEINEM Haus lebten, jeden Tag und manchmal auch nachts MEINE Stadt Sewerodonetsk beschossen.  Damals stand es noch unter der Kontrolle der ukrainischen Truppen.


Einen Monat später holten mich die Nachbarn aus dem Keller heraus.  Die Soldaten waren weg.  Mein Haus wurde komplett ausgeraubt: Möbel, Betten, Sofas, Tische, Stühle, Bettzeug, Dinge, Gabeln, Löffel, buchstäblich ALLES. Außerdem zerschmetterte die Druckwelle einer Fliegerbombe das Dach und zerstörte die Fenster.

Doch am nächsten Tag kamen neue Truppen aus Burjatien, dann die Tschetschenen, dann wieder die Russen.

Die Hungersnot hat begonnen!  Die Lebensmittelvorräte gingen zur Neige, und wer nicht gebraucht wurde, wurde vom russischen Militär weggebracht.

Was hilft Geld auf einer Bankkarte, wenn es keine Geldautomaten mehr gibt. Wir hatten keinen Strom, kein Telefon, kein Internet.
Um zu überleben, nahmen sie Weizen, der für die Fütterung von Hühnern bestimmt war, mahlten ihn drei- bis viermal in einem Fleischwolf und ließen ihn dann durch ein Sieb.  Aus dem gewonnenen Mehl konnte man Pfannkuchen backen und aus dem Rest Weizenbrei kochen. Tee wurde aus Schneeballsträichern, Wildrose und Himbeerzweigen gebraut.  

Später fingen sie an, 1 Mal pro Monat Essenstransporte zu schicken.

Als die Regionen Luhansk, Donezk, Zaporozhye und Cherson in einem Referendum in die Russische Föderation aufgenommen wurden, der russische Rubel als einziges Zahlungsmittel eingeführt wurde und der Bevölkerung russische Pässe gewaltsam ausgehändigt wurden, musste ich weglaufen.  

Als ich die Stadt verliess, warfen Bürger der Stadt, hauptsächlich ältere Menschen, die vom Militär nicht berührt wurden, auf der Straße mir ukrainisches Geld hinterher. Ich floh in Richtung der Region Rüstow und schaffte es auch bis zur Grenze. Dort mußte ich irgendwie durch den Zoll. Männer mußten sich dort nackt ausziehen und wurden nach Kriegsrecht verhört. Den KGB-Beamten sagte ich, dass ich in die Stadt Rostow gehe, um einen russischen Pass zu bekommen. Ich beteuerte für Putin zu sein und so weiter. Gott sei dank haben sie bei mir nichts Kritisches gefunden. Ich habe keine verräterischen Tattoos. Mein iPhone hatte ich vorher weggeschmissen, weil meine Korrespondenz auf Facebook, Telegram, WhatsApp mich sicher verraten hätte. Männer, die von den Grenzern als Russland-kritisch eingestuft werden, verschwinden unter Umständen einfach und sind nicht mehr auffindbar.

Trotzdem nahmen mich die Grenzer richtig in die Mangel.  Sie haben 8 Stunden von 11:00 Uhr bis 19:00 Uhr mit mir gesprochen. Aus psychologischer Sicht war es sehr schwierig und beängstigend, ihre Fragen zu beantworten.
Im Büro gab es drei Türen:
1. zurück in die Region Luhansk,
2. vorwärts (nach Rostow)
3. die schrecklichste Tür ins Unbekannte: Richtung Sibirien? Richtung Mobbing? Richtung Folter und Gefängnis?

Ich hatte Glück und sie ließen mich durch die 2. Tür gehen.

Am nächsten Morgen um 8:00 Uhr hätte ich in Rostow meinen russischen Pass abholen müssen.  Aber ich war um die Zeit schon an der Grenze zu Lettland. Doch das war nicht einfach. Nach dem Verhör wurde ich mitten auf einem Feld im Nichts entlassen. Ich musste den nächsten Bahnhof suchen und stieg in den nächsten Zug nach Norden.

Weiter ging es über Litauen, Polen nach Deutschland. Hier in Heilbronn habe ich einen sicheren Ort finden können. Eine alte Schulfreundin hatte mir erzählt, dass sie von der Caring-Community Heilbronn unterstützt worden ist. Auch mir wurde ein Zimmer organisiert und mit etwas Geld und Möbeln geholfen.


Ich möchte mich von ganzem Herzen bei der ganzen Caring-Community Heilbronn bedanken, die mir geholfen hat, in Heilbronn anzukommen. Besonderer Dank gilt Britta, Elsa, York, Rebecca, Natasha Shevchenko, Tanya Kharchenko und allen, die mit Rat und Tat geholfen haben!


Ich wünsche mir Frieden, Gesundheit, Glück und Güte für alle!
Das Gute wird gewinnen!