Diesmal traf eine Granate unser Haus…

Mein Name ist Svetlana. Ich bin 49 Jahre alt und ich komme aus Mariupol. Meine Geschichte unterscheidet sich nicht wesentlich von denen anderer Flüchtlinge und doch ist es meine ganz eigene Geschichte, die ich mit Ihnen teilen möchte.
Mariupol war eines der ersten russischen Kriegsziele und direkt zu Kriegsbeginn war unsere Stadt schon von allen Seiten umzingelt. Wir konnten keine Hilfe aus der Ukraine mehr bekommen. Eine Woche nach Kriegsbeginn waren wir bereits ohne Strom. Innerhalb weniger Tage fielen nacheinander Wasser, Heizung, Mobiltelnetz und Gas aus. Bei eisiger Kälte und starkem Wind kochten wir das Essen draußen auf einem Feuer. Wir sammelten Schnee vom Dach, um Wasser zum Trinken und Waschen zu haben. Wir vier, meine Tochter Victoria, mein Mann Arthur, meine Mutter Emmalia (81) und ich kauerten einen Monat lang im Keller unseres Privathauses zusammen.
Nachts hörten wir immer das batteriebetriebene Radio, in der Hoffnung, gute Nachrichten zu hören. Tagsüber, als wir das Futter für unseren Hund (Alf) auf dem Feuer erwärmten, konnten wir Flugzeuge fliegen sehen. Alle 20 Minuten hörten wir das Pfeifen von Granaten, die irgendwo im Stadtzentrum fielen. Abends lauschten wir den Nachrichten im Radio und hofften auf die Ankündigung der Evakuierung, aber jedes Mal hieß es, sie müsse unterbrochen werden. Stattdessen hörten wir dann von den Opfern in der Nähe des Dramatheaters oder der Krankenhäuser im Stadtzentrum. Die Zivilbevölkerung von Mariupol wurde wirklich sehr hart getroffen in diesen ersten Wochen und Monaten.
Anfang März gab es den ersten Flugzeuganflug in unserer Wohngegend. Es geschah in der Nacht, ich erinnere mich noch heute, wie unser Haus bebte und wie meine Tochter meine Hand fest umklammerte. Wir saßen alle schweigend im Keller und warteten in Panik darauf, dass das Ganze ein Ende nahm. Am Morgen hatte der Beschuss aufgehört und wir gingen nach draußen, wo Granaten in Privathäusern( und auf der Straße unweit von uns eingeschlagen waren. Mehrstöckige Häuser waren beschädigt worden, überall lagen Glasscherben von den Fenstern, verbrannte Wände, zerschlagene Autos und Schaufenster. Ich konnte nicht glauben, dass dies in der Realität geschah.
Meiner Tochter gelang es, Ende März aus Mariupol herauszukommen. Als sie in Polen ankam, suchte sie nach einer Möglichkeit, um mich und meine 81 Jahre alte Mutter, nach Europa zu bringen. Aber im April begann erneut der Beschuss in unserer Gegend. Diesmal traf eine Granate das Dach unseres Hauses. Niemand wurde verletzt, und wie durch ein Wunder gelang es uns, rechtzeitig in den Keller zu gelangen. Stets musste ich warten, bis die Granaten nicht mehr flogen und auf das Dach unseres Hauses klettern (wegen der schlechten Kommunikation), um mit meiner Tochter zu telefonieren.
Eines Tages erzählte mir Viktoria, dass sie mit Caring Community Heilbronn Kontakt ausfgenommen hat. „Viktoria, bereite du die Flucht für deine Familie vor, ich kümmere mich um eine Unterkunft. Wir machen alles fertig und kümmern uns um deine Leute“, das waren Brittas Worte. Britta Uhl organisierte eine Unterkunft für meine Mutter, mich und unseren 9 Jahre alten Schäferhund Alf.



Ende Juni kamen wir in Europa an. Meine Tochter war mittlerweile bereits in Kanada. Die Caring Community brachte uns in einem älteren Haus bei Heilbronn unter, in dem bereits eine andere ukrainische Familie wohnte. Eine Frau namens Dascha und ihre drei Söhne wurden zu unseren Mitbewohnern. Wir haben uns schnell mit Dascha verstanden und die Kinder waren begeistert von Alf, sie kamen sogar zum Schlafen zu ihm in die Küche-:)
Ich bin insbesondere Britta Uhl, Bettina Schrembs, Götz von Waldeyer und allen Menschen, die uns geholfen haben, diese Schwierigkeiten zu überwinden und ein neues Zuhause in Deutschland zu finden, sehr dankbar. Dennoch hoffe ich immer noch, dass ich eines Tages meine Familie wiedersehen und nach Hause in mein ukrainisches Mariupol zu meinem Mann zurückkehren kann…
Viktorias Brief an Britta am 31.06.2022
Sorry, i couldn’t write my answer earlier. Different time zones are so annoying 🙁
I finally spoke to my Mum today, she was tired but so excited about everything around her. New country, new city, new language and new people. When she was on her way to Heilbronn she sometimes had to ask for help some workers and everyone tried to help her! Not knowing her language, they smiled and just helped! It was hard for her to understand again that people still can be nice.. without a reason.. She told me there was a look of kindness in their faces. Mom was really shoked… it was so strange to see after all those months… and electricity, cold and hot water, cooker, fridge, fresh food and silent night without a fear that everything can get worse tomorrow.
We are extremely grateful for the chance to start a new life.
